Multikulturelles Malaysia
Unfreiwillige Tauchgänge, ein Tag in der Moschee und die beste Küche der Welt
In Malaysia erleben wir eine faszinierende
Mischung aus Kulturen, atemberaubender Natur und pulsierenden Städten. Wir radeln durch dichten Dschungel, kämpfen uns steile Passstraßen hinauf und genießen das tropische Flair der kleinen Dörfer. Wie Joel unfreiwillig in einen Kanal springt und wir das Opferfest in einer Moschee feiern, erfahrt ihr in diesem Artikel!
Inhaltsverzeichnis
- Frittierte Garnelen und Kohlrabi-Pfannkuchen
- Ein Bad in der Abenddämmerung
- Malaysische Neugier und ein Geburtstag in Georgetown
- Köstlichkeiten am chinesischen Buffet
- Wenn Pläne ins Wasser fallen, beginnen Abenteuer
- Überraschungen des Lebens sind die wertvollsten Erfahrungen
- Frauenpower in der Moschee – Zwischen Offenheit und Grenzen
- Das muslimische Opferfest Eid al Adha
- Eine Begegnung mit den Ureinwohnern
- Zwei Millionenstädte in einer Woche
Frittierte Garnelen und Kohlrabi-Pfannkuchen
Malaysia begrüßt uns mit einem steilen Anstieg durch den dichten Dschungel. Bei Temperaturen von um die 30° C und einer Luftfeuchtigkeit von knapp 100 % kleben unsere T-Shirts schon nach kurzer Zeit schweißgetränkt an unseren Körpern. Im sattgrünen Vorhang aus tropischen Bäumen, Sträuchern und Gräsern am Straßenrand springen Affen. Das Zwitschern der Vögel hallt durch den Regenwald.


Nachdem wir den ersten größeren Ort, Kanga, erreichen und eine Simkarte besorgt, Geld abgehoben und neues Essen ausprobiert haben, ändert sich die Landschaft. Wir fahren auf kleinen Feldwegen durch Reisfelder, um die enge Hauptstraße zu meiden. Zum ersten Mal in Südostasien sind hier mehr Autos als Mopeds unterwegs!
Nach einer gefühlten Ewigkeit in der tropischen Einöde erspähen wir eine kleine Ansammlung von kleinen Holzhütten. Es handelt sich um eine Ansammlung von Imbiss-Buden mit zahlreichen Tischen und Stühlen, direkt am Meer mit Blick auf das Schlickwatt. Fast jeder Tisch ist besetzt. Wir sind erstaunt von der Mischung der Kulturen. Gruppen von Muslimen in traditionellen langärmligen Gewändern und Hijab sitzen neben chinesisch-stämmigen Menschen in T-Shirts und Shorts. Alle lächeln uns freundlich und neugierig an.
Als wir neben dem bestellten Eistee auch noch einen Teller frittierte Garnelen geschenkt bekommen, sind wir völlig sprachlos. So viel Gastfreundschaft schon am ersten Tag in Malaysia hatten wir nicht erwartet! Joel bestellt ein Gericht von einem kleinen Stand nebenan. Es sieht aus wie ein Pfannkuchen mit Schokoladensoße, stellt sich dann aber als Kohlrabi mit Hoisin-Soße und Erdnüssen heraus. Interessant, aber nicht so wirklich unser Ding.


Ein Bad in der Abenddämmerung
Der Plan für die Nacht ist, das Zelt an einem der vielen kleinen Pfade in den Reisfeldern aufzustellen. Unser Timing könnte jedoch nicht schlechter sein. Durch die Zeitverschiebung verlieren wir eine Stunde und die Dämmerung setzt bereits ein. Wir beginnen einen Wettlauf gegen die Zeit, denn wir sind gerade mitten in der Innenstadt von Alor Setar, einer Großstadt mit 370.000 Einwohnern. Während der blutrote Himmel sich mit der untergehenden Sonne immer dunkler färbt, denke ich angesäuert: “Joel hat die heutige Route geplant. Wieso haben wir nicht einfach vor der Stadt angehalten?” Ich fange an zu nörgeln.
Joel navigiert uns durch eine Wohngegend mit kleinen, verzweigten Straßen. Plötzlich versperrt uns ein etwa 1 Meter breiter Kanal mit stinkendem schwarzen Wasser den Weg. Nur eine provisorische Brücke aus zwei Holzbalken führt darüber. Ich stelle mich schon darauf ein, umzudrehen, doch Joel ist schneller. Kurzerhand schiebt er sein Fahrrad mit Schwung auf die Brücke, verliert fast im selben Augenblick das Gleichgewicht und PLAAATSCH!! stürzt mitsamt seines Fahrrads in den Abwasserkanal.
Bestürzt werfe ich mein Fahrrad auf den Boden und eile ihm zur Hilfe. Zum Glück ist das Wasser nicht tief und reicht Joel nur knapp bis zu den Knien. “Hast du dich verletzt?” rufe ich besorgt. Wütend löst Joel seine Fahrradtaschen vom Rad, das neben ihm in der Brühe steht. “Das ist alles deine Schuld”, brüllt er, während er mir die Taschen um die Ohren wirft. Ich habe Mühe, sie aufzufangen und am Straßenrand abzustellen.
Inzwischen haben die Nachbarn mitbekommen, dass ein Tourist in den Abwasserkanal gefallen ist. Mehrere Menschen helfen Joel und seinem Fahrrad aus dem Graben, während eine ältere Dame einen Eimer Wasser und Papiertücher bringt. Wir müssen ein lustiges Bild abgegeben haben. Immer noch hitzig diskutierend, beginnen wir, den Schaden zu inspizieren und bedanken uns bei der älteren Dame. Niemand spricht Englisch. Joel scheint unverletzt zu sein, er ist nur ziemlich schmutzig und riecht wie eine Kläranlage. Die Nachbarin bietet ihm an, sich in ihrem Badezimmer zu waschen und umzuziehen. In der Zwischenzeit muss ich leider fast die Hälfte unserer Lebensmittel entsorgen. Alles in der Fahrradtasche ist mit übelriechender Schlacke überzogen.
Als Joel aus dem Badezimmer zurückkommt, bedankt er sich kurz angebunden bei den Umstehenden und macht Anstalten, auf sein Fahrrad zu steigen. Ein junger Mann, der hinzugekommen ist, fragt auf Englisch: „Wo fahrt ihr denn jetzt hin?“ „Ach“, sagt Joel, wir finden schon irgendwo was!“ Und weg ist er.
Ich beeile mich, hinterher zu kommen. Joel sagt kein Wort und fährt weiter in die Dunkelheit. Es gibt keine Straßenlaternen und mein Fahrradlicht ist der einzige Orientierungspunkt. „Sollen wir nicht anhalten und nach einem Hotel suchen?“, frage ich. „Nein, kommt nicht infrage.“, antwortet Joel. Er ist immer noch sauer. „Du hast gesagt, wir müssen heute campen, um Geld zu sparen, also campen wir.“ Betreten erwidere ich: „Naja. Das war ja vor deinem Unfall. Jetzt stehen die Dinge ganz anders. Und außerdem: Wie sollen wir denn in der Dunkelheit einen Platz zum Zelten finden?“
Etwa 20 Minuten später – die Stadt liegt inzwischen hinter uns – erahne ich in der Dunkelheit zwischen Feldweg und Kanal eine grasbewachsene Fläche zwischen den Bäumen, groß genug für unser Zelt. Wir halten an, versöhnen uns und essen die paar Snacks, die wir noch übrig haben. Als wir kurze Zeit später das entfernte Singen der Muezzins aus der Stadt hören, sind wir froh, dass wir es aus der Stadt herausgeschafft haben.


Malaysische Neugier und ein Geburtstag in Georgetown
Zu unserer großen Freude entdecken wir im nächsten Ort einen Stand, der verschiedene Leckereien zum Frühstück anbietet. Es gibt süßes und salziges Gebäck, Reisnudeln und frittierte Bällchen im Angebot. Als wir uns zum Essen hinsetzen, bietet ein Mann am Nachbartisch an, unsere Rechnung zu begleichen. So gastfreundlich die Menschen hier sind, wir sind erleichtert, dass wir bereits gezahlt haben. Wir fühlen uns unwohl dabei, ständig Geschenke von Menschen anzunehmen, die viel weniger haben als wir.
Auch als wir weiterfahren, reißt das Interesse der Passanten nicht ab. An jeder roten Ampel wird ein Fenster heruntergelassen: “Woher kommt ihr? Wohin fahrt ihr? Gefällt euch Malaysia?”


Wir fahren an diesem Tag 107 km, bis wir an der Fähre nach Georgetown auf der Insel Penang ankommen. Es war wohl etwas viel – ich bekomme eine Mandelentzündung. Wir verbringen ein paar Tage in einer schönen Ferienwohnung und erkunden Georgetown, eine hippe Großstadt mit chinesischen, indischen, britischen und malaiischen Einflüssen. An Joels Geburtstag trinken wir Kaffee und essen Kuchen am Pool!






Köstlichkeiten am chiinesischen Buffet
Die feuchte, tropische Hitze macht uns ordentlich zu schaffen. Es ist zwar erst 10:00 und wir haben gut gefrühstückt, doch die Laune ist am Kippen. Wir brauchen dringend etwas zu essen!
An der nächsten Straßenecke steht ein großes Gebäude mit offener Front und chinesischen Schrifzeichen, das wie ein Fabrikgebäude aussieht. Ich bin wegen der schäbigen Fassade zunächst skeptisch, doch als wir uns nähern, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Es handelt sich um ein chinesisches Buffet-Restaurant und gerade werden auf blitzsauberen Anrichten dutzende verschiedene Gerichte in Edelstahlbehältern zur Schau gestellt. Es gibt so viel Auswahl, dass wir uns nicht entscheiden können. Alles sieht unglaublich lecker aus. Am Ende entscheiden wir uns für Reis, Aubergine, frittierten Tofu, Hühnchen, gegrilltes Schweinefleisch und weiteres Gemüse. Während wir noch essen, werden immer weitere duftende und köstlich aussehende Speisen herausgebracht. Wir sind zur perfekten Zeit gekommen! Insgesamt zahlen wir knapp 4 € und entschließen uns, öfters zum chinesischen Buffet zu gehen.


Wenn Pläne ins Wasser fallen, beginnen Abenteuer
Wir fahren weiter in die Stadt Ipoh. Von hier aus geht es weiter in das Malaysische Hochland. Wir können es kaum erwarten! Endlich wieder etwas kühlere Temperaturen. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt durchgeschlafen habe, ohne völlig verschwitzt aufzuwachen. Bevor es von 0 auf 1000 Meter hochgeht, stocken wir unsere Vorräte in einem kleinen Laden am Stadtrand auf. Ein freundlicher Mann beginnt ein Gespräch mit uns und schenkt uns kurzerhand eine viertel Wassermelone! Wir wollen gerade weiterfahren, da fängt es plötzlich an, aus vollen Kübeln zu schütten. Wir warten unter dem Vordach des Ladens. Die Regenfälle in Südostasien sind extrem, aber dauern meistens nicht lange.


Eine Stunde später sitzen wir immer noch unter dem Vordach. Die Straße vor uns verwandelt sich langsam aber sicher in einen reißenden Fluss. Ich blinzle in den Himmel. Er ist tiefgrau und der Regen macht keine Anstalten, abzuklingen. Der Mann, der uns die Wassermelone geschenkt hatte, kommt mit seinem Motorroller und einem Regenschirm in der Hand um die Ecke gebraust. “Kommt mit, ich habe ein Zimmer für euch! Ihr könnt heute bei uns in der Moschee übernachten und morgen das Opferfest mit uns feiern!” Es stellt sich heraus, dass der Mann, Saiful, ein Vorsteher der örtlichen Moschee ist. Wir zögern kurz, dann nehmen wir sein Angebot dankend an. Saiful hat recht. In diesem Wetter weiter zu fahren, wäre Selbstmord.
Überraschungen des Lebens sind die wertvollsten Erfahrungen
Oft sind auf unserer Reise die Erfahrungen die Wertvollsten, die wir machen, wenn wir am wenigsten damit rechnen. So wie diese hier.
Wir folgen Saiful im strömenden Regen, bis wir an einer Art Gästewohnung anhalten. Es gibt ein paar Zimmer mit angrenzendem Bad und sogar ein Wohnzimmer mit einem Sofa. Der ältere Mann mit den sanften Augen und dem langen Bart läd uns für den Abend zum gemeinsamen Fastenbrechen in der Moschee ein. Wir fragen nach dem Dresscode. Saiful überlegt kurz. Schließlich erwidert er, ein langes Hemd und eine Jeans seien für Joel ok, und er werde ein paar Freundinnen vorbeischicken, die mir beim Einkleiden helfen. Etwas aufgeregt fügt er hinzu: “Heute müssen alle ganz besonders förmlich gekleidet sein, denn der Sultan kommt zu Besuch!” Der Sultan von Perak, Nasrin Muizzuddin Shah, ist der konstitutionelle Monarch und Ministerpräsident der Region Perak, und damit ein richtiger Prominenter!
Einige Stunden später klingelt es an der Türe. Drei Frauen mittleren Alters, Nur, Shima und Ati sind mit einer Tasche voller Gewänder gekommen, um mir beim “Einkleiden” zu helfen. Während Shima und Ati wie Teenager kichernd und aufgeregt um mich herumspringen, merkt man, dass Nur öfter mit Touristen zu tun hat. Die Zahnärztin erklärt mir in perfektem Englisch wiederholt fast entschuldigend, was auch Saiful vorher schon erwähnt hatte: Der Sultan komme zu Besuch, deshalb müssten alle den Kleidervorschriften entsprechend angezogen sein. Ich bin in keinster Weise beleidigt. Im Gegenteil: Ich bin peinlich berührt, dass ich wie ein Ehrengast behandelt werde und sich die Frauen extra Zeit nehmen, um mir zu helfen.
Meine Fahrradshorts werden gegen ein zweiteiliges, dunkelrotes Kleid aus schwerem Polyester mit goldenen Stickereien eingetauscht, dazu ein hellbraunes Kopftuch. Ich erkenne mich im Spiegel kaum wieder. Als es Zeit wird, in die Moschee auf der anderen Straßenseite aufzubrechen, trennen sich Joels und mein Weg am Seiteneingang. Das heutige Fastenbrechen wird geschlechtergetrennt gefeiert. Joel folgt Saiful zum Haupteingang, während ich hinter den Frauen her durch den Seiteneingang schlüpfe.
Frauenpower in der Moschee - zwischen Offenheit und Grenzen
Plötzlich bin ich nervös. Normalerweise ist es Joel, der auf unserer Reise leicht mit neuen Menschen ins Gespräch kommt. Jetzt bin ich auf mich alleine gestellt. Doch meine Sorge ist völlig unbegründet. Obwohl mich äußerlich, abgesehen von meinem Hauttyp, nichts von den anderen Damen in der Moschee unterscheidet, falle ich sofort auf wie ein bunter Hund. Der schmale, lange Gang, der zum Gebetsraum führt, ist fast vollständig mit gedeckten Tischen zugestellt. Auf der rechten Seite steht ein kleines Spülbecken, links steht ein reichhaltiges Buffet mit verschiedenen Speisen und Getränkespendern.
“Komm Jana, hier kannst du dir einen Teller nehmen,bediene dich bitte am Büffet.” Nur schiebt mich herüber zu einem Stapel Teller. Eine andere Frau kommt auf mich zu. “Oh hallo! Wo kommst du her? Du musst unbedingt dieses Gemüse probieren! Und nimm auch was vom Fischcurry!” Das Essen sieht fantastisch aus. Ich nehme von allem etwas, dann werde ich schon von ein paar anderen Frauen zum Tisch gewunken. Suchend sehe ich mich nach Besteck um, doch Zita neben mir lacht: “Wir essen hier typisch malaiisch – mit den Händen!”
Während wir essen, werde ich von allen Seiten ausgefragt. Eigentlich stehe ich ungerne so im Mittelpunkt, aber diese Frauen sind so freundlich und neugierig, dass es wirklich Spaß macht. Ich komme kaum dazu, etwas zu essen, da stehen alle um mich rum plötzlich auf und huschen hinüber zum Gebetsraum. Es ist Zeit für das Abendgebet.


…und Joel?




Nach spannenden Gesprächen und unzähligen Selfies verabschieden wir uns schließlich für den Abend. Viele der Frauen, mit denen ich mich unterhalten habe, sind sehr gebildet: Sie sind Lehrerinnen, Zahnärztinnen oder Krankenschwestern. Traditionelle Berufe scheinen in Malaysia besonders großes Ansehen zu genießen. Ich lerne eine Menge über den malaysischen Islam und die Bräuche.
Doch am Ende des Tages werde ich den bedrückenden Gedanken nicht los, dass diese wundervollen Frauen Gefangene ihrer Religion und Kultur sind. Es sind die sichtbaren Fesseln, wie die langen, schweren Kleider und Kopftücher, in denen man sich nicht richtig bewegen kann und die in der Hitze am Körper kleben. Aber es sind auch die unsichtbaren Fesseln. Eine der Frauen erzählt zum Beispiel, sie könne nicht mehr wandern gehen, weil es ihrem Mann nicht gefalle. Eine Fahrradreise, wie unsere? Für malaiische Männer ok. Für die Frauen in diesem Kulturkreis unvorstellbar.
Das muslimische Opferfest Eid al Adha
Am nächsten Morgen findet das muslimischen Opferfest, Eid al Adha, statt. Das zweithöchste Fest in der islamischen Welt geht auf eine Erzählung im Koran zurück, in der Ibrahim (bibl.Abraham), ähnlich wie in der Bibel, seinen Sohn Ismael (bibl. Isaac) als Beweis für seine Treue zu Gott opfern soll. In letzter Sekunde schickt Gott jedoch einen Ziegenbock, der statt des Sohnes geopfert wird.
Das Fest dauert vier Tage und beinhaltet das gemeinsame Gebet und eine große Feier mit der Familie, jedoch auch das Schlachten unzähliger Rinder, Büffel und Schafe. Unsere Moschee schlachtet insgesamt sieben Kühe und einen Büffel. Ein Teil des Fleisches wird direkt an die Armen und Bedürftigen verteilt. Je sieben Familien teilen sich den Kaufpreis eines Rindes. Die Tiere sind nicht günstig – insgesamt zahlt jede Familie rund 300 €. Zu den Familien zu gehören, die sich am Rinderkauf beteiligen, ist eine große Ehre. Zita ist etwas enttäuscht. Sie hätte sich dieses Jahr auch gerne am Kauf eines der Rinder beteiligt, doch die Liste mit Interessenten war sofort voll.
Zum Glück verpassen wir das “Schächten”, das Schlachten und Ausbluten der Tiere durch einen Halsschnitt ohne vorherige Betäubung. Das Schächten ist in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen verboten, denn die Tiere leiden unter erheblichen Schmerzen, Atemnot und Todesangst. Wir sind überrascht, dass dieses Verfahren in der muslimischen Welt gerne als schonende und schmerzlose Tötung dargestellt wird. Die Wiese vor der Moschee gleicht einem Schlachtfeld. Die toten Kühe liegen auf dem Boden, ihre leeren Augen starren gen Himmel und das Gras ist blutgetränkt. Wir scheinen die einzigen zu sein, die diese Szenerie grauenhaft finden. Die anderen Gäste sehen gespannt dabei zu, wie die Tiere professionell von den verantwortlichen Familien zerlegt werden. Hier lernt man schon als Kind, wie man einen Tierkadaver ausnimmt. Zita erkärt mir, das Beobachten des Rituals bringe die Muslime näher zu Gott. Gott habe schließlich die Tiere gemacht, damit sie von den Menschen gegessen werden.



Nachdem die Tiere vollständig zerlegt und in Plastikverpackungen portioniert worden sind, zeugt nur noch das blutverschmierte Gras von der Opferung. Wir unterhalten uns noch ein wenig mit den Besuchern des Festes, dann ist es Zeit für uns, weiterzuziehen. Es ist inzwischen fast mittags, die Hitze des Tages ist in meiner Jeans, dem langärmlichen Shirt und dem Kopftuch nur schwer zu ertragen. Nach zwei wirklich spannenden Tagen, die uns einen tiefen Eindruck in eine andere Kultur erlaubt haben, bin ich jetzt froh, wieder kurzärmlig und ohne Kopftuch weiterzureisen.


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Eine Begegnung mit den Ureinwohnern
Nach zwei Tagen bergauf durch die dichte Vegetation des Regenwaldes erreichen wir Malaysias Highlands. Wir übernachten in einem Hostel und stellen unser Zelt in einem riesigen Gewächshaus neben den Blumenplantagen auf. Zum Abendessen gibt es ein Reisgericht von einem chinesischen Buffet. Es ist das erste Mal seit knapp 6 Monaten, dass wir draußen sitzen können, ohne zu schwitzen.
Wir entkommen dem beliebten Urlaubsgebiet und fahren durch eine sehr einsame Gegend im Regenwald. Bis auf ein paar wenige Autos und Motorräder, die uns überholen, ist die asphaltierte Straße das einzig menschengemachte hier. Wir hören endlich mal wieder den Klang der Natur. Die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen und die Blätter rascheln im Wind.


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
Einen Nachteil hat die Einsamkeit: Es gibt nirgends eine Übernachtungsmöglichkeit. Über die Satellitenansicht auf Google Maps erkennen wir auf unserem Weg Grüppchen von identischen Häusern, vollkommen abgeschieden. Als wir an der dritten Häuseransammlung vorbeikommen, ist es schon kurz vor der Dämmerung. Das Dorf befindet sich ein Stück abseits der Hauptstraße hinter einer überdachten Bushaltestelle. Wäre das nicht ein super Ort zum Übernachten?
Ein altes Ehepaar sitzt auf der Bank unter dem Unterstand. Perfekt. Die beiden kommen bestimmt aus dem Dorf, sodass wir um Erlaubnis bitten können. Auf Malay frage ich die Dame, ob sie aus dem Ort komme. Jaja, sagt sie und zeigt auf die Häuser im Hintergrund. Sehr gut. Ich fahre fort: “Wir haben ein Zelt.” Wenig beeindruckt mustert sie mich: “Na und…?” “Können wir hier schlafen?”, ich zeige auf den Boden. Entschieden schüttelt sie den Kopf: “Nein, könnt ihr nicht!” Sie wirft uns einen finsteren Blick zu. Dann wendet sie sich ab. Ich bin total überrascht. Es ist das erste Mal, dass wir in Malaysia nicht mit Herzlichkeit begrüßt werden.
Im Nachhinein wird klar, wieso das Ehepaar so unfreundlich war. Sie gehören zum Stamm der Orang Asli, den indigenen Ureinwohnern Malaysias. Für den Bau der großen Ulu Jelai Wasserkraftanlage mussten zahlreiche Indigene vor etwa 13 Jahren ihre Dörfer im Regenwald verlassen. Stattdessen wurden sie hierher, in kleine Hütten mitten im Nirgendwo, zwangsumgesiedelt. Nach 5 Jahren wurde die Kompensation eingestellt, eine versprochene Dividende durch Palmölplantagen haben die Bewohner nach wie vor nicht erhalten. Die Orang Asli leben vom Ackerbau und dem Sammlertum im Wald. Nun haben sie nicht mal mehr Land zu bewirtschaften. Viele wissen nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern sollen. Und das alles unter dem Mantel des Fortschrittes, denn Malaysia will bis 2050 CO2-neutral werden. Kein Wunder, dass die Orang Asli nicht gut auf Fremde zu sprechen sind.
Zwei Millionenstädte in einer Woche
Wir stellen unsere Räder bei einem freundlichen Typen namens Saiful in der Hafenstadt Port Dickson unter und machen einen Abstecher nach Singapur! Nach einer halben Weltreise in verschiedenen Bussen, Grenzkontrollen und Straßenbahnen erreichen wir die Innenstadt am späten Nachmittag. Es ist ein einziger Kulturschock. Wir lieben es. Zwischen postmodernen Hochhäusern mit atemberaubender Architektur ranken sich sattgrüne Pflanzen. Es fühlt sich so an, als ob man hier einen Dschungel mit einer Großstadt gekreuzt hätte.
Mit Joels Freunden Kenny und Paula besuchen wir die Satay Street und essen wahnsinnig leckere, frisch gegrillte Hühnchen- und Shrimp-Spieße. Neben einem Besuch des Marina Bays und der Haji Straße bauen wir auch noch einen Besuch von Chinatown ein und trinken Kaffee im Ralph Laurent Café. Es ist schön, mal für ein paar Tage nicht jeden Cent umdrehen zu müssen. Schweren Herzens verlassen wir die hypermoderne Metropole nach 3 Tagen.






Bevor wir uns mit unseren Fahrrädern auf den Weg zur Insel Sumatra in Indonesien begeben, machen wir einen Abstecher mit Kuala Lumpur. Hier geht La Dolce Vita für uns weiter, denn Joels Bruder hat uns eine Nacht in einem luxuriösen Hotel gebucht. Ein kleiner Dämpfer sind die Zahnschmerzen, die mich nun schon seit einigen Wochen heimsuchen… Auch ein Besuch bei einer einheimischen Zahnärztin bringt keine Besserung. Zurück in Port Dickson fange ich mir eine heftige Erkältung ein, sodass die Weiterreise nach Sumatra warten muss. Stattdessen verbringen wir fünf Tage in einem fensterlosen Hotelzimmer auf engstem Raum.





