Nordmazedonien
Berge, Seen und eine Reise in die Vergangenheit
Auf unserer kurzen Fahrradreise durch Nordmazedonien
umfahren wir den traumhaften Ohridsee, stellen einen neuen Höhenrekord im Galičica Nationalpark auf, haben ein furchtbares Erlebnis beim Campen und sammeln sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit den Einheimischen. Insgesamt fühlen wir uns oft in der Zeit zurückversetzt.
Viel Spaß beim Lesen!
Inhaltsverzeichnis
- Grüne Oase Ohrid See
- Nach der Euphorie kommt die Kraftlosigkeit
- Zurück auf Null
- Ein Lichtblick im Camping-Albtraum
- Eine haar-streunende Nacht
- Flucht aus dem Camper-Albtraum
- Ein neuer Höhenrekord
- Lost Places am Prespa See
- Eine Plauderei mit den Einheimischen
- Ein etwas anderer Campingplatz
- Kaffee-Party an der Grenze
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Grüne Oase Ohrid See
Sobald wir den Grenzpass passieren, ist die Landschaft plötzlich wie verwandelt: Statt kahlem Fels und Geröll sind wir umgeben von sattgrünen Wiesen und Wäldern. Ab jetzt geht es nur noch bergab, denn vor uns im Tal erwartet uns der auf 700 m gelegene ultramarinblaue Ohridsee*. Auf der rasanten Abfahrt ins Tal wird es so kalt, dass unsere Finger steif werden.
Umso erfreuter sind wir, als wir bei Rino’s Camping mit einem Gratis-Schnaps und -Espresso begrüßt werden! Die beiden wahnsinnig freundlichen Besitzer, zwei Brüder, sind Albaner! Wer unseren Blogeintrag über die überschwängliche Gastfreundschaft der Albanier gelesen hat, den wird das wenig überraschen! Bei unserer Ankunft ist es schon spät und außerdem ziemlich kalt, sodass wir schnell unser Zelt zwischen den etwa zwanzig Campervans (fast alle aus Deutschland) aufbauen. Und dann gönnen wir uns ein Steak in Rinos Restaurant nebenan.
Nach der Euphorie kommt die Kraftlosigkeit
Wir gönnen uns wohlverdient einen Tag Fahrradpause, an dem Joel sogar ein Bewerbungsgespräch am See bestreitet. Wieso das? Nun, wir hatten uns zwischenzeitlich überlegt, im Winter auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten.
Als wir weiterfahren, stecken mir die Höhenmeter vom Pass an der albanischen Grenze noch in den Knochen. Unser Weg führt uns zunächst gen Norden um den See herum.
In der recht touristischen Stadt Ohrid treffen wir nach langer Zeit mal wieder auf den ein oder anderen Bikepacker. Doch leider ist dann auch schon Schluss mit flach: Das Gewässer des Ohridsees liegt in einem Becken, das wir über einen Pass wieder verlassen müssen. Eigentlich. Denn wir kommen kaum voran und müssen ständig anhalten. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Also suchen wir nach einer alternativen Übernachtungsmöglichkeit. In unserer Nähe gibt es einige Campingplätze, doch alle, an denen wir vorbeifahren, haben bereits für die Saison geschlossen.
Zurück auf Null
An einer Weggabelung zweigt die Route in den Galičica Nationalpark ab, der uns über den nächsten Pass bringen wird. In einem kleinen Häuschen sitzt ein Ranger, den wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit im Park fragen. Ja, meint er, es gebe nach ca. 9 km eine kleine Campingstelle. Neun Kilometer bergauf? Wir beraten uns. Nein, finden wir, das ist zu weit. Wir entscheiden uns also, noch ein paar Kilometer weiter geradeaus zu einem Campingplatz am See zu fahren und am nächsten Tag zurückzukommen. Das bedeutet auch, dass wir die mühsam zurückgelegten 200 Höhenmeter von heute morgen erneut bestreiten müssen. Riesige Freude.
Ein Lichtblick im Camping-Albtraum
Kurze Zeit später kommen wir zwischen einem steilen Kliffhang und Strand beim Camp Ljubanista an. Die Rezeption macht einen schönen und modernen Eindruck. Auch die junge Mitarbeiterin ist sehr freundlich, sodass wir die umgerechnet 18€ für eine Übernachtung gerne zahlen.
Der Platz selbst? Naja. Es handelt sich um eine riesige Anlage mit verschiedenen Bereichen, die durch kleine Wege abgetrennt sind. Der Bereich, der uns zugewiesen wird, ist mit hohem Gras überwuchert. Zwischen uns und dem See liegen etwa 100 Meter Land, auf dem sich ein Dauercamper-Fahrzeug an das nächste reiht. Neben ein paar Arbeitern, die den Platz winterfest zu machen scheinen, ist keine Menschenseele zu sehen. Insgesamt wirkt der ganze Campingplatz eher so, als sei er seit Jahren nicht mehr genutzt worden.
Eigentlich würden wir gerne im See schwimmen gehen, aber aufgrund der frischen Temperaturen entscheide ich mich für eine Dusche. Als ich das Sanitärgebäude betrete, trifft mich fast der Schlag: Von den fünf Toiletten sind vier nur Löcher im Boden. Das alleine wäre kein Problem, wir kennen diese Art von Toilette schon aus anderen Ländern. Aber alles ist dreckig und voller Spinnweben, in jeder Kabine stehen offene Mülleimer, halb gefüllt mit benutztem Toilettenpapier. Dagegen gibt es kein “frisches” Klopapier.
Die Duschen auf der gegenüberliegenden Seite sehen nicht besser aus: Teilweise fehlen die Türen zu den Kabinen oder lassen sich nicht verriegeln. Im Inneren ist alles voller Staub, Schmutz und Spinnenweben. Dazu ist das Wasser auch noch kalt. Enttäuscht lasse ich das mit der Dusche sein. Joel hat im Sanitärgebäude für die Männer ein bisschen mehr Glück: Wenigstens gibt es heißes Wasser.
Einen kleinen Lichtblick wollen wir jedoch nicht unerwähnt lassen: Am Sandstrand des Ohrid Sees können wir ungestört bei einem wunderschönen Sonnenuntergang unser Abendessen zubereiten. Auf knapp 700 Meter Höhe wird es nach dem Sonnenuntergang ziemlich kalt und wir verschwinden ins Zelt. Wir wollen nur schlafen und morgen dann schnell weiter, weg von diesem trostlosen Ort. Nicht mal unsere Netflix-Serie können wir gucken, denn WLAN gibt es nur an der Rezeption. Viel Schlaf sollen wir in dieser Nacht jedoch nicht bekommen…
Eine haar-streunende Nacht
Wenn wir statt in der freien Wildbahn auf einem Campingplatz zelten, gibt es dafür mehrere gute Gründe: Normalerweise erhalten wir frisches Trinkwasser, Strom, eine heiße Dusche, aber auch Schutz vor wilden Tieren. Auf dem Ljubanista-Campingplatz herrscht davon allerdings Fehlanzeige.
Kurz nachdem wir uns schlafen legen, raschelt es am Eingang unseres Zeltes. Ein streundener Hund hat sich so auf unser Vorzelt gelegt, dass es unter seinem Gewicht ein Stück in sich zusammensackt. Durch lautes Rufen und Klatschen lässt sich der Hund nicht vertreiben. Von innen müssen wir das Tier regelrecht von unserem Zelt schubsen, nur damit es sich nach wenigen Minuten erneut darauf legt. Beunruhigenderweise kratzt sich der Streuner ununterbrochen. Toll, jetzt auch noch Flöhe!
Irgendwann geben wir die Vertreibungsversuche auf und lassen den Hund auf unserem Vorzelt* schlafen. Bis wir um kurz nach 12 von wiederholtem Knurren und Bellen aus dem Schlaf hochschrecken. Alle paar Minuten.
Schließlich bin ich so genervt, dass ich mir meine Wasserflasche* schnappe, aus dem Zelt steige, den Hund schimpfe und mit Wasser bespritze. “Hau ab”, rufe ich, “keine mag dich!!” Ich weiß, rückblickend etwas extrem. Aber ich bin gespannt, wie ihr in einer ähnlichen Situation reagieren würdet. Tatsächlich trottet der Hund davon und rollt sich etwa 10 Meter entfernt auf dem Boden zusammen. Ein bisschen leid tut er mir schon. Aber das verfliegt schnell, der Hund knurrt und bellt die ganze Nacht weiter.
Flucht aus dem Camper-Albtraum
Am nächsten Morgen verschwinden wir so früh wie möglich und tun etwas, das wir sonst eigentlich nie tun: Wir beschweren uns bei der Dame an der Rezeption. Diese trinkt übrigens gerade mit der Putzfrau einen Kaffee. Ja richtig, man hält es nicht für möglich, aber es gibt tatsächlich eine Putzfrau! Unser Geld bekommen wir trotzdem nicht zurück.
Im kleinen Dorf Ljubanista oberhalb des Campingplatzes halten wir am einzigen Geschäft an und kaufen das Nötigste fürs Mittagessen. Die nette alte „Tante Emma“ kocht sogar Kaffee, extra für uns. Gestärkt geht es zurück bergauf zum Galičica Nationalpark. Der freundliche Park-Ranger, mit dem wir uns am Vortag schon kurz unterhalten hatten, erlässt uns sogar den Eintritt von umgerechnet 3€ pro Person. Bei so vielen herzlichen Menschen ist der Camping-Albtraum schon fast wieder vergessen. Unser Glaube an die Menschheit ist wiederhergestellt. Und jetzt: In die Pedale treten, was das Zeug hält!
Ein neuer Höhenrekord
Nach unzähligen Serpentinen haben wir einen malerischen Ausblick über den Ohridsee bis hinüber nach Albanien. Wir kommen nach fast exakt 9 Kilometern an der besagten Campingstelle vorbei. Und bereuen wirklich, dass wir es am Vortag nicht bis hierher geschafft hatten: Es gibt eine Trinkwasserquelle, eine Feuerstelle und ein Plateau für Zelte, dazu noch Bäume mit wilden Äpfeln und Mirabellen. Dafür ist es jedoch echt super kalt und wir bleiben nur für eine kurze Mittagspause. Nach weiteren 10 Kilometern bergauf erreichen wir auf 1590 Metern den Sattel der Galičica Berge, unser bisher höchster Punkt auf der Reise.
Lost Places am Prespa See
Es folgt eine rasante Abfahrt durch einen dichten Wald hinunter zum Prespa See*, dem „kleinen Bruder“ des Ohrid Sees. Die Ufer des Gewässers sind mit Schilf und Hecken dicht bewachsen. Für eine ganze Weile gibt es keine Häuser, keine Menschen, keine Autos. Obwohl es erst Mitte September ist, sieht es um uns herum schon total herbstlich aus! Inmitten der Natur sehen wir links und rechts der Straße immer wieder verlassene Ruinen von Restaurants und Hotels. Eines davon ist das Hotel Europa, dessen majästetisches Tor an die Zeiten der Sowjetunion erinnert. Nach kurzer Recherche finden wir heraus, dass es wohl 2004 einen verheerenden Brand gab und das Hotel seither leer steht.
Das Landschaftsbild ändert sich schon wieder und plötzlich sind wir auf beiden Seiten von riesigen Apfelplantagen umgeben! In einem kleinen Dorf halten wir für eine kurze Kaffeepause an, wir brauchen Energie, denn wir haben heute noch einige Kilometer vor uns!
Eine Plauderei mit den Einheimischen
Die Besitzerin des kleinen Mini-Markets ist wahnsinnig nett und serviert uns einen eingeschweißten Kuchenriegel mit dem Kaffee. Schnell kommen wir mit den älteren Herren am Nachbartisch ins Gespräch. Dadurch, dass einer der Männer seit vielen Jahren in Australien lebt und gebrochenes Englisch spricht, können wir uns ziemlich gut verständigen.
Wir erfahren, dass die meisten Menschen in dieser Gegend vom Obstanbau leben. Dabei beträgt der Kilopreis für die Äpfel aktuell nur 6 Cent! Was für ein Wahnsinn, wenn man bedenkt, wieviel man für ein Kilogramm Äpfel im Supermarkt bezahlt. Und nur dieser Bruchteil kommt beim Erzeuger an! Früher, so erzählen die Männer, sei der Tourismus am Prespa See eine große Einnahmequelle gewesen. Früher, in einer Zeit vor dem Zerfall Jugoslawiens.
Generell sei früher vieles besser gewesen. Nach und nach offenbart sich nun auch das vereinfachte und engstirnige Weltbild des Mannes: Er wettert einerseits gegen die Muslime im Dorf und äußert sich diskriminierend gegenüber Albanern: “Denen kannst du nicht trauen! Du streckst ihnen den kleinen Finger hin und sie wollen gleich die ganze Hand!”. Andererseits äußert er haarsträubende Gedanken zum Angriff Russlands auf die Ukraine: “Hätte Putin nicht Indien oder China angreifen können? Da leben doch eh zu viele Menschen und er würde uns nicht so schaden!”
In Situation wie diesen bin ich oft dankbar, dass wir uns mit den meisten Menschen allenfalls grundlegend verständigen können. Dann kommt es gar nicht erst zu solchen Gesprächen.
Wie mit dem Sitznachbarn des Mannes, einem Apfelbauern, der sich gerade ein Bier nach dem anderen reinkippt. Sein und mein Russisch sind ungefähr gleich schlecht, sodass wir ein paar Höflichkeiten austauschen und lachen können. Das war’s dann aber auch. Der Betrunkene besteht darauf, dass Joel ein Bier mit ihm trinkt. Und für die Weiterfahrt schenkt er uns sogar noch je eine Tafel Schokolade!
Ein etwas anderer Campingplatz
Nach diesem langen Tag erreichen wir erst in der Dämmerung und bei nasskalten 10 Grad unseren Campingplatz in der Nähe von Bitola. Die letzten Stunden hatte es fast durchgängig geregnet und wir sind vollkommen durchgefroren. Umso erleichterter sind wir, als wir herausfinden, dass Ambasador Camping kein normaler Campingplatz ist…
Tony ist ein herzlicher Mann um die 60, der seinen Garten zu einem Campingplatz umfunktioniert hat. Etwa 5-6 Campervans und einige Zelte finden hier Platz. Sein ehemaliges Restaurant hat Tony zu einem Gemeinschaftsraum umfunktioniert. Es ist ein Traum: Eine modern eingerichtete Wohnküche mit großer Küchenzeile, es gibt einen Kamin und es ist warm! Tony hat gerade noch Besuch von einigen Freunden zum Abendessen, sodass wir zunächst zitternd unser Zelt aufbauen.
Als die Gäste gehen, überrascht uns Tony: Er macht uns einen heißen Tee mit selbstgepflückten Kamillenblüten und überlässt uns die Reste des Abendessens! Die könne er sowieso nicht mehr gebrauchen, sagt er. Also gibt es heiße Hühnersuppe, Brot und einen köstlichen Salat, während Tony sogar ein Feuer im Kamin macht. Wir können unser Glück kaum fassen.
Trotzdem sind wir unglaublich müde und verziehen uns bald ins Zelt. Die anderen Camper (aber keine Bikepacker!) sitzen noch zusammen vor dem Kamin. Am nächsten Tag bleiben wir bis mittags, weil Tony uns „zwingt“, seinen selbstgebrauten Schnaps zu probieren.
Kaffee-Party an der Grenze
Bitola ist die letzte Stadt vor der Grenze nach Griechenland. Da wir nicht unser gesamtes nordmazedonisches Geld ausgeben konnten, kommen wir mit einigen Mark (ja wirklich!) an der Grenze an. Leider gibt es zu unserer Enttäuschung weder Straßenhändler noch einen Laden, in dem wir das Geld verprassen können. Dafür aber einen uralten Kaffeeautomaten, der zu unserem Erstaunen sogar funktioniert. Wir geben den umstehenden LkW Fahrern, die auf den Zoll warten, einen Kaffee aus und rollen über die Grenze nach Griechenland.
Ein Schild grüßt uns: Hellas! Und darunter prangt ein Sticker von Cycle_4_change, denen wie auf Instagram folgen. So klein ist die Welt. Wir sind wieder in der EU!
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